#29 – Die Fahrt mit dem Stinker

Meine alte E-Klasse steht seit gut 4 Wochen ungenutzt in der Garage. Der Wagen tut mir fast ein bisschen leid, jahrelang wurde er praktisch jeden Tag genutzt – seit aber der Tesla neben ihm parkt ist er so gut wie abgeschrieben. In den ersten Jahren fuhr ich noch knapp 60.000km jährlich, da ich Pendler war – morgens 70km zur Arbeitsstelle, abend 70km nach Hause. Selbstverständlich gibt es viele Leute die noch längere Arbeitswege haben, trotzdem wurde mir das irgendwann zuviel. Nicht wegen des fahrens ansich, ich fahre ja zum Glück sehr gerne, sondern vor allem aufgrund der Zeit die dabei draufging.

Ich konnte mir meine Arbeitszeiten weitestgehend selbst aussuchen und daher außerhalb der morgendlichen und abendlichen Rushhour fahren. Nachts um 3 kann man die Strecke zwar mit Vollgas in 35 Minuten bewältigen, im normalen täglichen Straßenverkehr braucht man aber für die 70km gut 45 Minuten. Dazu kommt dann noch, dass ständig irgendwo Stau ist, mit der Zeit kennt man die Problemstellen natürlich und kann sie (oft) umfahren, wenn es denn klappt kostet es aber auch wieder seine Zeit. Somit musste ich, um nicht regelmäßig zu spät ins Geschäft zu kommen, 1 Stunde Fahrtzeit einplanen. Das macht dann am Tag 2 Stunden die sich zur Arbeitszeit addieren – was mir einfach auf Dauer zuviel war.

Durch diverse Änderungen konnte ich mittlerweile die Arbeitswege auf einen Bruchteil verringern, oft kann ich auch vollständig vom Heimbüro aus arbeiten und habe dann gar keinen Arbeitsweg mehr. Das ist sehr komfortabel und wohl für die meisten Menschen nur machbar, wenn sie selbsttändig oder freiberuflich arbeiten – Möglichkeiten die sich sicher nicht jedem bieten. Deshalb hat der alte W211 „nur“ 300.000km auf dem Tacho und nicht schon über eine halbe Million.

Jetzt, nach 4 Wochen, hat es sich zum ersten mal ergeben, dass ich den Zweitwagen benutzen muss. Schon das einsteigen fühlt sich ungewohnt an, ich sitze deutlich tiefer und es riecht nach altem Auto. Der Geruch ist nicht schlimm, erinnert mich aber an frühere Zeiten als ich öfter mal wechselnde ältere Fahrzeuge fuhr. Beim starten dreht der Anlasser ein oder zweimal mehr als sonst, der Motor startet aber zuverlässig – und dreht erstmal relativ hoch. Nachdem ich vergeblich den Gangwahlhebel am Lenkrad gesucht habe, finde ich ihn in der Mittelkonsole und lege den Rückwärtsgang ein. Mein alter Wagen rollt aus der Garage, der Motor läßt das ganze Auto vibrieren – das ist mir früher garnicht so aufgefallen, bzw. es war halt einfach normal. Die Fenster sind alle heruntergelassen damit der Wagen in der Garage etwas auslüften kann und so rieche ich jetzt die Abgase des Dieselmotors deutlich. Es ist technisch alles in Ordnung, es kommt keine Wolke aus dem Auspuff oder so – trotzdem stinkt es nach Abgasen. Das ist wohl normal und noch von ein paar Wochen hätte ich das bestimmt auch wahrgenommen, mir aber nichts dabei gedacht. Heute denke ich

„…was für ein Dinosaurier…“

In den vergangen Wochen haben wir, meine Frau und ich, auch dem alten Benz einen Namen gegeben. Er wurde von uns knapp 10 Jahre gefahren und hatte nie einen Namen, jetzt hat es sich aber ergeben dass wir ihn „Stinker“ nennen. Das ist nicht böse gemeint, entspricht es doch, wie ich gerade jetzt feststellen muss, der Wahrheit.

Mein Weg ist nicht weit, ich muss eigentlich nur in die nächste Ortschaft um ein paar Erledigungen zu machen, das sind so ca. 5 Kilometer. Ich war noch nie ein Freund von häufigen Kaltstarts, diese sind weder für den Motor noch für die Starterbatterie gut. Außerdem dreht der Motor immernoch ziemlich hoch. Ich beschließe also einen Umweg zu fahren und den Motor erst abzustellen, wenn er schön warmgefahren ist und auch die Batterie etwas nachgeladen wurde.

So fahre ich also statt den 5km erstmal gute 15 – und denke dabei über die Unterschiede zwischen den Antriebskonzepten und die Vorzüge meines neuen Elektroautos nach.

Für ein 10 Jahre altes Auto mit 300.000km auf der Uhr fährt es sich ausgesprochen gut, es sieht auch gut aus und die Verarbeitung ist immernoch überzeugend. Trotzdem merke ich die Unterschiede zu meinem neuen jetzt sehr deutlich. Ich komme mir fast vor, als würde ich ein aus dem Auto- und Technikmuseum Sinsheim ausgeliehenes Museumstück steuern.

 

Ein Gedanke zu “#29 – Die Fahrt mit dem Stinker

  1. Doggda sagt:

    schön beschrieben, jemand der einmal angefangen hat elektrisch zu fahren will nix mehr anderes…
    ich habe mit einem Twizy angefangen und jetzt das Modell S bestellt…
    Dein „Block“ 😉 liest sich toll, ich kann garnicht aufhören…

Kommentar verfassen